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Der Sachswerfer Arree` und die Schrecken des 7jährigen Kriegs im hannoverschen Amt Hohenstein

Heute: Niedersachswerfen, Landkreis Nordhausen, Thüringen, insbesondere Gemeinde Harztor

Von Tim Schäfer 19.01.2023


1757

Auch der 7jährige Krieg brachte für unsere Heimat Verwüstung, Grauen und schwere Verluste. Für Sachswerfen jedoch überlieferte sich offenbar daraus die Bezeichnung des Arree`. Es gab mehrere Versionen, wie die Sachswerfer zu Ihrem Spitznamen Arree` gekommen sind. Als Arree` hat sich auch der örtliche Traditionsverein benannt und alljährlich wird das Heimatfest als Arree`-fest veranstaltet. Nun, dass ein Junge dereinst gerufen haben soll A -Reh (ein Reh) oder der Reim auf den Herrn Anders, ist als unwahrscheinliche Begründung für das in der kollektiven Überlieferung stehende Arree` zu sehen. Das kommt uns doch  eher französisch vor! In der Tat, es gibt solche historischen Fakten.

Nach Akten des ehem. Königl. Staatsarchiv Hannovers, das damalige Amt Hohenstein war hannoverisch, wird davon berichtet, dass die französische Armee zunächst  im Oktober und November 1757 hier lag. Die Vorhut machte das Fischersche Korps, die auch den Dragoner Nordhoff aus Hildesheim hier am Mühlberg von Niedersachswerfen erschossen haben. Die hannoverschen Beamten stellten fest, dass das Amt Hohenstein 3000 Rationen Fourage an das französische Kriegskommissariat in Mühlhausen zu liefern hatte.

Fourage ist eine alte Bezeichnung für Pferdefutter, konnte aber auch allg. für „Beschaffung“ stehen.


Fischer Chasseurs (eigentlich Chasseurs de Fischer (1743–1761)

Der Name leitet sich ab von Johann Christian Fischer, einem deutschen Söldner im französischen Dienst. Er avancierte zum Regimentsführer und bekleidete schließlich den Rang Brigadier des armées du roi, der besonders verdienten Obristleutnanten verliehen wurde. Das Freiwilligenkorps Chasseurs de Fischer aus einheimischen Abenteurern wurde durch eine Verordnung vom 1. November 1743 als "Compagnie franche des chasseurs" bestätigt. Sie bestand zunächst aus 45 Jägern zu Fuß und 15 Reitern. Das Freikorps hatte temporär bis zu 1200 Mann und als Schutzpatron den heiligen Georg.  Die „Chasseurs de Fischer“ waren der Ursprung der „Régiments français de chasseurs à cheval“ (Jäger zu Pferden) in der französischen Armee.


1757 in Niedersachswerfen

Zunächst hatte das Fischersche Korps in Ilfeld Quartier bezogen. Dazu steht geschrieben, dass der sehr um das Wohl des Stifts Ilfeld bemühte, verdienstvolle Stiftsamtmann Christian Ernst von Wüllen gegen Gewährung erheblicher Douceure (Geschenke, Prämie) das Korps zum Abzug nach Niedersachswerfen zu veranlassen, was dem Dorf teuer zu stehen kam (allein mehr als 2000 Reichstaler in Geld). Es  gibt  einen weiteren,  echten Beleg dazu, den der Zeitzeuge und Schultheiß Teichmann 1772 aus Niedersachswerfen vom 7Jährigen Krieg berichtet hat.
In seiner Chronik berichtet er detailliert: Zur Kirmes 1757 waren 2500 Mann hier einquartiert, die etwa 13 Tage verpflegt werden mussten. Also ungefähr die Stärke eines Regimentes. Zusätzlich zur Versorgung der Pferde und Fourage musste das ganze Amt Hohnstein nach Ellrich Hey (Heu), Haber und Stroh liefern. Wagen waren zu reparieren, andere Dienstleistungen wurden eingefordert.

Pro Haus konnten bis zu 50 Mann einquartiert sein. Ihre Pferde standen bis zu Knien in Heu und Stroh, im ganzen Ort habe es nicht mal mehr eine Gans oder Huhn gegeben. Selbst auf dem Kirchhof brannte ein Feuer, welches so hoch wie die Kirche war. Die Särge hätten in der Erde gebrannt.
Am anderen Tag musste Pastor Leopold den Dragoner Ernst Nordhoff des morgens das heilige Abendmahl reichen und der wurde abgeführt zur Kupferhütte. Dort wurde er erschossen. Daran erinnert bis heute ein Steinkreuz und die Tafel dort am Mühlberg beim Regensborn. Es geschah am Dienstag, dem 18. Oktober 1757. Diese Kriegsgrauen setzten sich fort und besonders das Jahr 1759 traf das gesamte Gebiet des damaligen Amts Hohenstein schwer.

Steinkreuz am Mühlberg

 Erinnerungstafel am Steinkreuz am Mühlberg/ Regensborn in Niedersachswerfen, 2022 erneuert

Arre`t-s - französische Anordnungen: Die Franzosen benutzten zu Ihrer Legitimation „Arre`te“, sozusagen direkte Anordnungen, Forderungen, die diese stellen konnten.
Offenbar hat sich das tief in Sachswerfer Seelen und im Hohensteinischen festgebrannt. Daher die Bezeichnung von Arree´, die heute sehr modern ist.


Zum Geschehen 1759 in Sachswerfen

Am 18. Juli 1759 erreichten Husaren und Panduren Niedersachswerfen und erpressten am Zoll beim Zollwirt Grimm Geld, Wein für 40 und Bier für einen Taler und verprügelten ihn schließlich noch. Auch in der Holzhäusermühle wurden Dukaten gefordert.
In Ermangelung von Dukaten, zählte der Ölmüller 20 Reichstaler auf dem Tische auf, worüber sie derartig in Wut gerieten, dass sie mit Säbeln nach ihm stachen und ihm etliche Male die Kleidung durchbohrten. Er konnte mit 15 Personen fliehen.
Auch in den Kupferhammer des Kupferhammerschmiedes Felber brachen die Soldaten ein, schlugen Fenster und Türen ein, erbrachen einen Schrank und entfernten den, wodurch ein Schaden von 10 Talern entstand.

Um vor weiteren Plünderungen sicher zu sein, löste die Gemeinde am nächsten Tage einen Schutzbrief (Salvegardebrief) für teure 400 Reichstaler. Trotzdem kam ein Husar zum Schultheißen und forderte von ihm 3 Reichstaler. Als dieser die Forderung unter Berufung auf den Salvegardebrief, stieß der Husar mit der Flinte nach ihm, sodass er schließlich entfliehen musste.
Am Abend kamen einige tausend Husaren und Panduren (Soldat Österreich) von Salza. Zwei Husaren fielen in Berthold Teichmanns Haus ein und misshandelten ihn und seine Ehefrau, weil er Ihnen nichts geben konnte. Darauf jagten die zwei Husaren vor die Pfarre, setzten dem Pfarrer Leopold den Säbel auf die Brust und forderten von ihm Wein und 100 Dukaten.
Es gelang jedoch dem Pfarrer zu entspringen. Er eilte in die Schenke und wandte sich an einen dort befindlichen Offizier, der darauf die beiden Husaren in Arrest nehmen ließ. Sozusagen arretieren, war diese mutige Tat des Pfarrers Leopold die Begründung des Spitznamens Arree´?

Gegen 10.00 Uhr kamen Husaren an das herrschaftliche Gut und wollten mit Äxten das Tor einschlagen. Als der Pächter in seiner Not um Hilfe rief, kamen Nachbarn sowie der Schultheiß Lorenz Espe, und der Vorsteher Baltin Teichmann herbei. Der Schultheiß fragte die Husaren: „Meine Herren, was ist denn ihr Begehren?“ Als Antwort jagte ein Husar auf ihn zu und schlug mit dem Spitzhammer nach ihm, sodass er schleunigst die Flucht ergriff.
Darauf nahmen Sie den Vorsteher bei den Haaren, schleiften ihn etliche hundert Schritt neben sich her zum Dorfe hinaus und gaben ihm mit dem Flintenkolben so viel Stöße, dass er zu Boden sank.
Alsdann ritten Sie in die Papiermühle, die Sie völlig ausplünderten. Der Papiermacher Abt erlitt hierdurch einen Schaden von 125 Talern.

Bald darauf kam ein neuer Trupp Husaren nach Niedersachswerfen. Deren Rittmeister forderte von dem Schultheiß 100 Dukaten und je 100 Positionen Brot, Hafer und Heu. Schließlich ließ er sich aber mit 60 Reichstalern und etwas Heu und Holz abfinden. Des zweiten Vorstehers Johann Friedrich Hotze Ehefrau wurde mit einem Knüppel vor den Kopf geschlagen, dass Sie blutüberströmt zusammenbrach.

Dem herrschaftlichen Zollwirt Grimm nahmen die Österreicher 2 Pferde und viel Geschirr weg. In Niedersachswerfen fielen Ihnen noch weitere 15 Pferde zur Beute, und zwar je 4 bei Samuel Hotze, Friedrich Lorenz Hotze und Georg Becker, 2 bei Conrad Espe und 1 bei Christoph Hillenhagen. Das Haus des Andreas Liesegang versuchten Sie niederzubrennen. Recht beträchtliche Verluste hatten ferner der Bergverwalter Rose auf der Kupferhütte 46 Taler, Jakob Schienmeyer 33, Konrad Kramer 8 und Friedrich Lorenz Hotze 7 Taler. Über 20 Führer musste das Dorf den verschiedenen Truppenabteilungen stellen.

Der teure Salvebrief hatte das Dorf  Niedersachswerfen also nicht vor Schaden schützen können.